Vom Urknall zum Durchknall – Die absurde Jagd nach der Weltformel

AstronomiePhysik |
Dr. Alexander Unzicker
Buch

Der Titel des Buches von Dr. Unzicker ist etwas irreführend, wird doch nicht nur die Urknalltheorie aufs Korn genommen, sondern bis hin zum Standardmodell der Teilchenphysik so ziemlich alles was die moderne physikalische Forschung zu bieten hat.

Von der einfachen Theorie eines Universums, welches sich gleichmäßig bis heute ausgedehnt hat, hat sich die Kosmologie schon lange entfernt. Ein inflationäres Aufblähen mit Überlichtgeschwindigkeit in den ersten Sekundenbruchteilen, dunkle Materie, die dafür sorgt, dass nicht alles auseinander fliegt und dunkle Energie, die – einem Nachbrenner gleich – dem Universum noch einmal einen ordentlichen Schubs gibt. Begriffe, die Verständnis vortäuschen, aber doch nur Worthülsen für Unverstandenes bilden. Freie Parameter, die einem einfachen Modell hinzugefügt wurden, um die Theorie mit den Beobachtungen in Einklang zu bringen.

Unzicker beleuchtet das Fundament des kosmologischen Bauwerks und macht auf die maroden Träger aufmerksam. Befunde die auf Annahmen beruhen, welche auf weiteren Annahmen aufbauen und das Gebäude wie ein Kartenhaus zusammenstürzen lassen können, sollte sich einer der Pfeiler als brüchig erweisen.

Das erprobte Zusammenspiel von Theorie und Experiment bekommt Konkurrenz von Modellen und Simulationen. Die Milleniumsimulation – mit der eine Gruppe internationaler Wissenschaftlern einen Supercomputer mehr als einen Monat beschäftigte - „untersucht“ und „erklärt“ laut Max-Planck-Gesellschaft die Entstehung der Galaxien. „Welches Resultat hat die Millenium-Simulation?“ fragt Unzicker. „Bilder, die gut mit denen des frühen Universums übereinstimmen“, so seine Antwort, aber auch nicht mehr. Bei der Bewertung numerischer Ergebnisse nach den üblichen Maßstäben würde sie dagegen versagen. Vernichtender jedoch seine Kritik an die freien Parameter, die in das Modell eingegangen sind – groß in ihrer Anzahl und nicht dokumentiert.

Einmal mehr freie Parameter. Erinnerungen werden wach gerufen an die Epizykeltheorie des Ptolemäus. Ockhams Rasiermesser ist schon lange nicht mehr geschliffen worden, so Unzicker.

Steigern lässt sich die Kritik an Theorien, die sich flexibel wie Gummi den Beobachtungen anpassen, nur noch durch Theorien, die erst gar keine Vorhersagen machen und sich damit der experimentellen Bestätigung aber auch ihrer eigenen Widerlegung entziehen. Von der Stringtheorie bis hin zur Supersymmetrie – mathematische Theorien ohne Relation zur physikalischen Realität – zu schön um falsch zu sein? Ist das noch Wissenschaft oder schon Religion? Niemand wagt es auszusprechen, aber der Kaiser ist nackt, so Unzickers Fazit.

Insgesamt liest sich das Buch recht angenehm, wechselt sich doch sachliche Kritik an den aktuellen Methoden der Physik mit Anekdoten von Begegnungen Unzickers mit Vertretern der etablierten Wissenschaft ab. Auf Formeln wird weitgehend verzichtet und auch das Überspringen der wenigen verbliebenen Formeln ist möglich, ohne den Zusammenhang aus den Augen zu verlieren. Eine vorherige, zumindest oberflächliche Beschäftigung mit den angesprochenen Theorien und Ideen ist jedoch hilfreich, da diese nicht im Detail erläutert werden.

Glücklicherweise handelt es hier nicht um das Werk eines verbissenen Wissenschaftlers, der – um seine eigene alternative Theorie zu stützen – alles kritisiert, was dieser entgegen steht. Vielmehr steht Dr. Unzicker, welcher Physik und Rechtswissenschaft studiert hat und nun als Gymnasiallehrer für Mathematik, Physik und Astronomie tätig ist, nicht im Verdacht, eigenen Interessen verfolgen zu wollen und kann aus dieser neutralen Position heraus sachliche Kritik am Wissenschaftsbetrieb äußern. Lediglich die Vermutung, Theoretiker würden bewusst Vorhersagen knapp jenseits der Grenze des aktuell Messbaren machen, um neue Großversuche zu rechtfertigen und die Aussage, etablierte Wissenschaftler würden sich absichtlich gegen neue Ideen abschotten, klingen etwas zu sehr nach Verschwörungstheorie. Letztlich erkennt Unzicker dies aber selbst und überlässt es dem Leser, wie weit er ihm in seiner Argumentation folgen will.

Fazit: Für alle, die der Erschütterung des heilen Weltbilds der modernen Physik durch einen Querdenker offen gegenüber stehen, ist „Vom Urknall zum Durchknall“ eine lesenswerte und unterhaltsame Lektüre!